Freitag, 11. November 2016

Eva…! Nicht Eva mit der Schlange? Nein. Ein bislang unbekanntes Motiv von Ferdinand Lepcke wurde im Jahr 2016 wiederentdeckt.

Ein grundlegendes Charakteristikum der Kunstwissenschaften ist die anhaltende sowie kritische Überprüfung, gegebenen Falles auch Richtigstellung und Ergänzung von summarisch gefassten Erkenntnissen zu gewissen kunsthistorischen Themengebieten. Auch ein Werkverzeichnis bedarf dieser aufmerksamen Überarbeitung und damit nachhaltigen Pflege.

Vor diesem Hintergrund bitte ich geneigte Kennerinnen und Kenner um Mithilfe bei der Suche nach weiterführenden Informationen wie zum Beispiel eine Meldung über den etwaigen Besitz einer Fassung der „neuen“ Eva-Figur. Benötigt werden überdies Dokumente und andere Archivalien zu der im Folgenden abgebildeten bildhauerischen Arbeit. Wer erkennt die Plastik wieder und kann Hinweise zum Verbleib der Darstellung machen?


Kunstpostkarte, nicht gelaufen: Prof. Ferd. Lepcke, Eva, Entstehungszeit der Figur bislang unbekannt, Gips (?). Rückseitig beschriftet: Verlag der Neuen Photographischen Gesellschaft AG, Berlin-Steglitz. „Skulpturen Erster Meister. Nr. 492.“ Privatbesitz Nicky Heise, Berlin.

In der Dokumentation und Forschung zum Leben und Schaffen des Bildhauers wurde bisher nur das Motiv „Eva mit der Schlange“ (1890, Gips und Bronze, siehe WVZ Lepcke: Kat.-Nr. 10–10c, S. 109–114) hinlänglich besprochen.[1] Dass Lepcke ein gänzlich anderes Werk mit dem Titel „Eva“ schuf, stellt eine interessante und zugleich zu untersuchende Neuigkeit für die Lepcke-Forschung dar.[2]

Im direkten Vergleich scheint Lepckes „Eva ohne Schlange“ in gesteigertem Maße von der zeitgenössischen Vorstellung einer griechisch-römisch-antikischen Auffassung von Plastik in der Deutschen Kunst um 1900 her beeinflusst und inspiriert zu sein; wesentlich eindringlicher jedenfalls als noch seine doch zu Teilen einer christlichen Erzähl- und Verhaltensweise folgenden „Eva mit der Schlange“. Augenfällig sind bei der „Eva ohne Schlange“ die natürliche Portraithaftigkeit ihres Antlitzes und die stärkere Bewegtheit in der Gesamtkomposition der Figur. Wir haben es wohl mit einer antikisch-idealisierten „Eva“ aus Lepckes Lebzeiten, vielleicht vor dem Hintergrund der Lebensreformbewegung um 1900 zu betrachtenden Arbeit, zu tun.

Während seine „Eva mit der Schlange“ sich körperlich noch jungmädchenhaft-schüchtern oder gar recht tugendhaft verschließt, wirkt die hier vorliegende „Eva“ eher aktiv und aufgeschlossen – lediglich ihre rechte Achselhöhle wird von ihrer rechten Hand wohl verdeckt. Leicht vorgebeugt scheint sie dabei ihre Aufmerksamkeit dem möglichen Betrachter schenken zu wollen. Ganz ähnlich, bis auf die leicht erhöhte Haltung ihres linken Beines durch Aufsetzen des Fußes auf die rechteckige Standplatte, fällt die Bildung der Unterkörper beider Figuren aus.

Fast könnte man meinen, dass uns der Bildhauer je eine christlich-antikische, soll heißen moralisierte, und eine griechisch-antikisierte, geradezu schuldlos-nackte, Darbietung des Sujets einer Eva eben in verschiedenen Versionen geben wollte.

Die Tatsache, dass Lepckes „zweite“ Eva in Gips an einen eckigen Sockel gelehnt und mit ihrer linken Hand auf ein Gefäß gestützt dargestellt ist, lässt die vorsichtige Vermutung zu, dass der Bildhauer vielleicht beabsichtigte, das Motiv in edlem Stein auszuführen. Denn ein angestrebter Bronzeguss käme sicherlich auch ohne dieses in erster Linie stützende Zierelement als Zutat aus.

Zur gründlichen Erforschung werden Hinweise freundlich erbeten und können gern vertraulich unter nicky.heise@gmx.de an den Autor weitergegeben werden.

[1] Anm.: 1901 – etwas über eine Dekade nach der Entstehung der Figur –  stellte Lepcke seine „Eva mit der Schlange“ im Künstlerhaus Berlin aus. Unter den ausstellenden Bildhauern waren auch Werke von Gustav Eberlein, Max Klein, Rudolf Siemering und Hermann Hausmann zu finden. Im am 15. Oktober 1898 eingeweihten Künstlerhaus Berlin in der Bellevuestraße 3 versammelten sich regelmäßig die Mitglieder vom „Verein Berliner Künstler“. Ein Flügel dieses Vereines war die sogenannte Bildhauervereinigung. Zu Beginn des Jahres 1901 empfahl die Bildhauervereinigung geneigten Personen und Instanzen sich bei der Wahl und Ausführung von plastischen und skulpturalen Bildwerken von der Vereinigung eingehend beraten zu lassen. Die Bildhauervereinigung sah es als eine ihrer Aufgaben an, als Vermittler zwischen Auftraggeber und Künstler zu agieren. Mögliche Interessenten sollten sich mit ihrem Anliegen an die Leitung der Bildhauervereinigung wenden und würden sodann Ratschläge zur Auswahl von geeigneten Bildhauern mit Entwürfen und deren Durchführung erhalten. Diese fachliche Beratung sollte ferner zur Vermeidung der „Wiederholung von Kunstwerken und [von] fabrikmäßigen Abgüssen“ beitragen. Vgl.: Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur. Bd.16,1900–1901, Heft 8, 15. Januar 1901, S. 194. Siehe auch: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1900_1901/0206. Vgl.: Berliner Architekturwelt. Ausgabe 2, 1900, Heft 4, S. 149–150.Siehe auch: http://digital.zlb.de/viewer/image/14192916_1900_4/35/#topDocAnchor.

[2] Anm.: Mein ganz besonderer und wiederholter Dank geht an Prof. Rolf Grimm (Gustav-Eberlein-Forschung e.V.) für seinen höchst erfreulichen Hinweis zur Existenz der Kunstpostkarte aus dem Verlag der NPG mit dem Motiv der „Eva“ von Ferdinand Lepcke.


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