Mittwoch, 26. Mai 2021

Tanz – Gedichte von Fee Girod und Zeichnungen von Andreas Krämmer

Luxus

 

Welch ein Luxus:

Schwerelos

auf dem Sonnenstrahl

schweben.

 

Welch ein Luxus:

Die Wonnen der Bedürfnislosigkeit

genießen.

 

Hier sein, da sein,

in Trance sein,

im Tanz sein,

ganz sein.                         (Fee Girod)



Die dem Gedicht "Luxus" zugeordnete Zeichnung wurde von Andreas Krämmer im Atelier farbig überarbeitet und befindet sich heute in Münchner Privatbesitz.



In der 79-seitigen Publikation stellen die Künstlerin und der Künstler 42 Gedichte und 44 Zeichnungen zu Stücken aus dem Tanztheater von Pina Bausch vor. Das Buch ist erhältlich bei:

 

Andreas Krämmer

Luitpoldstraße 7

96145 Seßlach

 

Andreas Krämmer (Hrsg.): Tanz – Fee Girod Gedichte/ Andreas Krämmer Zeichnungen 2020. Benedict Press, Vier-Türme GmbH, Münsterschwarzbach Abtei 2021,

ISBN 978-3-00-067361-0

 

Presse:

Dieter Ungelenk: Tanz in Wort und Bild - Die Treppe zum Himmel. Neue Presse Coburg, 12.05.2021, siehe: https://www.np-coburg.de/inhalt.tanz-in-wort-und-bild-die-treppe-zum-himmel.0a130b41-b78f-406d-beaf-bab9aad9158a.html, Stand vom 26.5. 2021.

Freitag, 15. Januar 2021

NEUE KONTUREN

Ausstellung im und am Stadtmuseum Oldenburg

vom 15. Januar bis 28. Februar 2021

Vor dem Stadtmuseum Oldenburg befindet sich mit „Mann aus der Enge hervortretend“ eines der Hauptwerke des letztjährig verstorbenen Bildhauers Waldemar Otto (1929–2020). Die drei Meter hohe Monumental-bronzeplastik ist nur ein Motiv aus der insgesamt etwa zehn Arbeiten umfassenden Werkgruppe mit dem Titel „Figuren zwischen Wänden“: „Die Werkgruppe, die zwischen 1969 und 1974 entstanden ist, handelt von Menschen in der arbeitsteiligen Gesellschaft, in der die Bewegungsfreiheit des Individuums eingeschränkt ist durch die sozialen und persönlichen Zustände, aus denen er nicht herausfindet.“(1) (Waldemar Otto)

Fast so, als müsse sich ein postmoderner „Schmerzensmann“ gegen eine unnatürlich umgekehrt wirkende Gravitationskraft, eine „Abstoßungskraft“ oder Art Gegendruck vor sich behaupten; so tastet sich ein lang- und feingliedrig dargestellter Mann augenlos – sprichwörtlich von Blindheit geschlagen – zwischen zwei eng angeordneten Wänden voran und greift dabei über das Ende der Wände hinaus, um sich so anscheinend aus der allumfänglichen Bedrängnis des sich perspektivisch verengenden Raumes hinter sich herauszulösen.

Der Bildhauer bedeutet dem geneigten Betrachter damit eine prinzipiell durchgreifende Idee; und zwar seine künstlerische Vorstellung über die Possibilität der Entrinnbarkeit und gleichzeitigen Unentrinnbarkeit des einzelnen Menschen aus seinen gesellschaftsbedingten Alltags- und Lebensökonomien. „Die über den vorderen Rand hinausragenden Hände verdeutlichen die endlose Folge der Raumsituation“,(2) so Waldemar Otto.

Foto: Privat.

„Die Skulptur „Mann aus der Enge“ […] wird neu interpretiert.“(3) 

In Kooperation mit The Hidden Art Project stellt das Stadtmuseum Oldenburg unter anderem eine Installation von Sven Müller vor. Um die Plastik Ottos „Mann aus der Enge hervortretend“ baute Müller, gewissermaßen als temporäre Weiterverarbeitung, eine vielteilige Installation auf und „zeigt einen übergroßen Versandkarton, aus dem Begehrlichkeiten des Überflusses herausfallen. Die Installation rund um das ursprüngliche Kunstwerk thematisiert das veränderte Konsumverhalten der Gesellschaft in der aktuellen Pandemie. Durch die Corona-Beschränkungen hat sich der Trend zum Online-Shopping beschleunigt. Einige wenige Firmen profitieren davon, zu Lasten des heimischen Handels in den Innenstädten. Die Verschiebung des Kaufverhaltens hat viele Gründe, wird jedoch durch die aktuelle Situation beschleunigt. Als Metapher für unser Konsumverhalten und den daraus resultierenden Profiteuren, befreit sich der „Mann aus der Enge“ aus der Zwanghaftigkeit unsere[r] Gesellschaft. Die Installation ist eine Aufforderung, die bisherigen Konsummuster zu hinterfragen und sich stärker auf die lokale Wirtschaft zu konzentrieren.“(4) 

Unstrittig ist wohl, dass derzeitig eine viel höhere Anzahl an Menschen pandemiebedingt ihre Einkäufe per Onlinekauf bei den bekannten Versandriesen abwickelt. Eine Vervielfachung der Umsätze und Gewinne ist bei den bekannten Playern mithin die Folge. Das Hinterfragen dieser Zu- und Umstände ist allemal legitim und auch die Kritik an derlei Entwicklungen.

Aber haben wir es denn tatsächlich mit einer allgemeinen und vorläufig beständigen Änderung der Kauf- und Konsumgewohnheiten breiter Teile der Gesellschaft zu tun?

Das bleibt abzuwarten und zu beobachten. Der lokale Handel ist im Moment wegen Covid-19 fast komplett geschlossen. Unzählige Menschen würden es sicherlich bevorzugen, in ihrem gewohnten Umfeld einzukaufen und dabei auch sozial zu interagieren. Grundsätzlich gilt wohl, etwas kürzer im Konsumverhalten zu treten, kann nicht schaden.

Wird sich der „Mann aus der Enge hervortretend“ wirklich „aus der Zwanghaftigkeit unsere[r] Gesellschaft“(5) befreien können?

Waldemar Ottos Idee vereint die Omnipräsenz und Omnipotenz des Darstellbaren und Nichtdarstellbaren sowie des Erzählbaren und Nichterzählbaren in sich – und das war sicherlich eine enorm langwierige geistige, überwindungsreiche und schöpferische Arbeit und Leistung. Waldemar Ottos „Mann aus der Enge hervortretend“ erzählt, mitinbegriffen, von wesentlich mehr als Konsumkritik.

Sven Müllers „Installation ist eine Aufforderung, die bisherigen Konsummuster zu hinterfragen […]“(6), schreibt das Museum. Ob dieser Grundgedanke bei den RezipientInnen wahrlich zünden und diese gewünschte Wirkung erzielen wird, bleibt abzuwarten. Ungewiss bleibt außerdem, ob Waldemar Ottos Arbeit als Bestandteil der neuen Installation einen Gewinn für die künstlerische Aussage Müllers in Wirkung übrig lässt, oder ob die berechtigte Konsumkritik Müllers Ottos Arbeit im Auge der BetrachterInnen nicht zuweilen zur bloßen „Leinwand“ degradiert.

Aus Sicht des Autors bestehen über alledem nicht unwesentliche konservatorische Bedenken im Umgang mit derartig wertvollen und limitierten Kunstwerken wie Ottos „Mann aus der Enge hervortretend“.

Bei der Enthüllung einer weiteren Fassung des Motivs, am 21. Juni 2007, in Holsterhausen sagte Waldemar Otto zum etwaigen Gebrauch seines Werkes durch Graffitisprayer als „skulpturale Leinwand“: „Aber meiner Erfahrung nach achten auch Sprayer solche Werke, wenn sie wissen, dass da viel Arbeit hintersteckt“.(7)

Es bleibt nur zu hoffen, dass Sven Müllers museumsseitig erlaubter Zugriff auf Ottos Arbeit von seiner eigenen, umgewerteten Kernaussage profitiert und das neue Bildwerk dem sonstigen Niveau des Museums entsprechen kann.

 

(1) WAZ, Kunst an der Kreuzung, Nord West Borbeck, 21.06.2007, einzusehen unter: https://www.waz.de/staedte/essen/nord-west-borbeck/kunst-an-der-kreuzung-id1915366.html, Stand 14.01.2021. 

(2) Ebenda. 

(3) https://www.stadtmuseum-oldenburg.de/neuekonturen/kooperation-mit-the-hidden-art-project, Stand 14.01.2021. 

(4, 5, 6) Ebenda.

(7) WAZ, Kunst an der Kreuzung, Nord West Borbeck, 21.06.2007, einzusehen unter: https://www.waz.de/staedte/essen/nord-west-borbeck/kunst-an-der-kreuzung-id1915366.html, Stand 14.01.2021.